In unserem letzten Artikel haben wir Sie über die Sozialversicherungspflicht für Geschäftsführer informiert – dieses Thema möchten wir heute aufgreifen und darlegen, welchen Einfluss die Sperrminorität auf die Sozialversicherungspflicht hat.
Gesellschaftsverträge können bezüglich der Stimmverteilung und Beschlussfassung auch andere Regelungen treffen als die strikt an der Kapitalbeteiligung orientierte Stimmvergabe. Das kann dazu führen, dass sich die Rechtsmacht des Minderheitsbeteiligten GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers derart erweitert, dass er maßgeblichen Einfluss auf Gesellschafterbeschlüsse und damit auf die Geschicke der Gesellschaft hat.

Ein Beispiel dafür ist die Sperrminorität: eine Minderheit an Stimmen, die die Fähigkeit hat, Beschlüsse zu verhindern. Aufgrund einer im Gesellschaftsvertrag eingeräumten Möglichkeit des Geschäftsführers, sämtliche Beschlüsse anderer Gesellschafter verhindern zu können, kann dieser nicht mehr als abhängig beschäftigt angesehen werden und ist dadurch von der Sozialversicherungspflicht befreit.

Bei einer gewollten Aufnahme einer Sperrminorität im Gesellschaftsvertrag muss auf verschiedene Aspekte besonders geachtet werden, um damit auch die gewünschte Freiheit von der Sozialversicherungspflicht zu gewährleisten ist. Neben der Aufnahme im Gesellschaftsvertrag muss der Umfang klar und eindeutig bestimmt sein, außerdem muss die eingeräumte Sperrminorität auch eine gewisse Beständigkeit aufweisen. Darüber hinaus müssen die dem Geschäftsführer eingeräumten Rechte so umfassend sein, dass nicht mehr von einer abhängigen Beschäftigung ausgegangen werden kann. Das ist z.B. nicht mehr der Fall, wenn die Sperrminorität sich nicht auf alle Angelegenheiten der GmbH bezieht.

Aus dem Grundsatz, dass sich eine Sperrminorität aus dem Gesellschaftervertrag selbst ergeben muss geht eindeutig hervor, das jegliche zwischen den Gesellschaftern getroffenen Vereinbarungen – die zwar einer Sperrminorität nahekommen – für die Annahme der Befreiung von der Sozialversicherungspflicht nicht ausreichen. Das BSG fährt dahingehend eine sehr strenge Linie und hat unter anderem bereits folgende Umgehungsversuche zurückgewiesen:

  • Eine zwischen den Gesellschaftern getroffene Stimmrechtsvereinbarung kann die erforderliche Rechtsmacht nicht vermitteln, weil sie keine gesellschaftsrechtliche Befugnis vermittelt, sondern lediglich zwischen den Gesellschaftern gilt.
  • Die Übernahme von Bürgschaften oder das Gewähren von Darlehen seitens des Geschäftsführers reicht für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit auch nicht aus, weil der Geschäftsführer dadurch nicht zu größeren gesellschaftsrechtlichen Freiheiten kommt.
  • Auch ein außerhalb des Gesellschaftervertrages eingeräumtes kündbares Vetorecht begründet keine gesellschaftsrechtliche Stellung. Der Geschäftsführer auch in diesem Fall nicht als selbstständig Beschäftigter anzusehen.
  • Als nicht ausreichend wurde auch eine Sperrminorität angesehen, die sich lediglich auf die Festlegung der Unternehmenspolitik, die Änderung des Gesellschaftervertrages und die Auflösung der Gesellschaft bezog. Damit liegt noch kein für die sozialversicherungsrechtliche Bedeutung entscheidender umfassender Einfluss auf die Gesellschaft vor.

Festgehalten werden kann, dass eine Sperrminorität sich nur aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben kann. Der Trend des BSG geht dahin, dass die Sozialversicherungspflicht bei GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführern nur aus der gesellschaftsrechtlichen Perspektive bewertet wird.

Treuhandgeschäfte und die Sozialversicherungspflicht

Folgerichtig werden z.B. Alleingesellschafter-Geschäftsführer, die 100% an der GmbH beteiligt sind, diese Anteile allerdings treuhänderisch für die Treugeber halten, dennoch als selbstständig Beschäftigte qualifiziert, weil nur diese Personen gesellschaftsrechtlich Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen können. Die Bindung an eine treuhänderische Abrede mit den Treugebern entfaltet gesellschaftsrechtlich keine Wirkung und ist daher für die sozialversicherungsrechtliche Fragestellung ohne Bedeutung. BSG, Urt. v. 12.05.2020 – B 12 R 5/18 R

Sozialversicherungspflicht trotz gesellschaftsvertraglich eingeräumtem Sonderrecht der Geschäftsführung für die Zeit der Beteiligung

Auch hat der BSG mit Urteil vom 01.02.2022 entschieden, dass ein mit einem Kapitalanteil von 49% an der GmbH beteiligter Gesellschafter-Geschäftsführer sozialversicherungspflichtig ist obwohl ihm im Gesellschaftsvertrag das Sonderrecht eingeräumt ist, für die Dauer seiner Beteiligung einzelvertretungsberechtigt zu sein. Dies wurde seitens des Gesellschafter-Geschäftsführers und der betroffenen GmbH angenommen, weil der Gesellschafter-Geschäftsführer sich durch das eingeräumte Sonderrecht sanktionslos vertragswidrig verhalten könne. Nach dem BSG begründet dieser Umstand aber keine „echte“ Sperrminorität, die es erfordert, dass maßgeblicher Einfluss auf die Gesellschafterbeschlüsse genommen werden kann und dadurch die Geschicke der Gesellschaft umfassend mitbestimmt werden können. Der Gesellschaftsvertrag sah nur für bestimmte Beschlüsse ein Mehrheitserfordernis von 75% vor. Durch das Sonderrecht ist lediglich die Position des Geschäftsführers in Bezug auf bereits eingeräumte Rechtsmacht besonders gestärkt. Dadurch wird seine jederzeitige Abberufung als Geschäftsführer verhindert und gegebenenfalls Weisungen im Bereich der gewöhnlichen Geschäftsführung eingeschränkt. Der Geschäftsführer kann durch sein Sonderrecht aber keinen Einfluss auf die Beschlüsse selbst nehmen und damit die Unternehmenspolitik beeinflussen.  Das Sonderrecht begründet also keine eigene Rechtsmacht im Sinne einer „echten“ Sperrminorität. BSG v. 1.2.2022 – B 12 KR 37/19 R

Damit bleibt der BSG seiner eigenen Linie treu, nur unter bestimmten hohen Voraussetzungen eine „echte“ Sperrminorität anzunehmen.

Sicherheit können sich Arbeitgeber durch das Statusfeststellungsverfahren verschaffen. Danach muss die Neueinstellung von GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführern durch den Arbeitgeber bei der Deutschen Rentenversicherung Bund angegeben werden (Meldegrund „10“ – mit dem Statuskennzeichen „2“). Daraufhin wird ein obligatorisches Verfahren eingeleitet infolgedessen rechtsverbindlich erklärt wird, ob ein versicherungspflichtiges abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Bei Zweifeln kann ein optionales Anfrageverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung Bund eingeleitet oder eine Statusfeststellung bei der zuständigen Einzugsstelle beantragt werden.

Herr Rechtsanwalt Dieter Merz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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