Welche Auswirkungen haben die behördlichen Maßnahmen nach Infektionsschutzgesetz auf gewerbliche Mieter und Vermieter?
Behördliche Maßnahmen können auf den Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) beruhen. Danach ist im IfSG geregelt, wie im Falle des Auftretens ansteckender und potentiell tödlicher Krankheiten beim Menschen zu verfahren ist z.B. welche behördlichen Zwangsmaßnahmen möglich sind und welche Pflichten für jeden Bürger bestehen. Hierdurch ergeben sich bestimmte Pflichten für Mieter und Vermieter.
Unter das IfSG fallen auch Mieter und Vermieter im Gewerbemietrecht, welche nach §§ 16 ff. IfSG zur Duldung des Betretens durch zuständiges Fachpersonal, insbesondere für Desinfektionsmaßnahmen sowie Ortseinschließungen, verpflichtet werden können. In besonders dringlichen Fällen kann ggf. auch die Schließung von Räumlichkeiten oder ganzen Gebäuden, bzw. die Untersagung der Nutzung von Gebäuden erfolgen.
Welche Pflichten des Vermieters bestehen nach dem Mietrecht?
Außerhalb des IfSG richtet sich das Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter nach den Regelungen im Mietvertrag und zivilrechtlichen Vorschriften. Das bedeutet, dass im Grundsatz eine besondere Vereinbarung der Parteien im Vertrag – bspw. zur Risikotragung oder Kündigungsrechten – den gesetzlichen Regelungen im konkreten Fall vorgeht. Dies ist für jeden Mietvertrag individuell zu überprüfen. Zu erwähnen ist, dass diese Abweichungen vom Gesetz auch zulässig sein müssen. Falls jedoch im Mietvertrag nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wurde, gelten die §§ 535 ff. BGB mit allen Rechten und Pflichten.
Bestehen Mietminderungsansprüche des Mieters, wenn der Vermieter zur Überlassung der Mietsache verpflichtet ist?
Grundsätzlich ist der Vermieter zur Überlassung der gewerblichen Mietflächen zum vereinbarten Nutzungszweck verpflichtet.
Der BGH hat sich in seinem Urteil vom 12. Januar 2022 – Az.: XII ZR 8/21 hierzu erstmals zu der Frage positioniert, ob der Vermieter im Falle von staatlichen Anordnungen seine Überlassungspflicht nicht oder nicht vollständig nachkommt. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs liegt ein Mangel nur vor, wenn die hoheitliche Beschränkung unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts zusammenhängt. Im Falle einer pandemiebedingten Schließungsanordnung oder Zugangsbeschränkung knüpfen diese nicht an die Beschaffenheit der Mietsache an und stellen daher kein Mangel dar. Dementsprechend kommt der Vermieter seinen vertraglich vereinbarten Pflichten der Überlassung in aller Regel nach. Demzufolge kann der Mieter auch die Höhe des Mietzinses – rechtlich gesehen – nicht mindern. Da kein Mangel nach Ansicht des BGH vorliegt, kann auch kein Schadensersatzanspruch gegen den Vermieter geltend gemacht werden.
Entschädigungsansprüche gegen den Staat wegen Mietausfalls vom Vermieter, Geltendmachung von Schäden durch Mieter usw. sind grundsätzlich möglich. Diese Rückgriffsansprüche bestehen unserer Meinung nach aus dem IfSG – wobei die Behörden dies anders beurteilen und ein Rechtsstreit hier unvermeidlich ist – und gegebenenfalls aus dem allgemeinen Entschädigungsrecht. Die Gerichte haben sich hierzu bisher noch nicht positioniert. Die Ansprüche müssten für jeden Einzelfall konkret geprüft werden. Insbesondere ist zu bedenken, dass bei einem grundsätzlich möglichen Entschädigungsanspruch auch bei rechtmäßigen Maßnahmen der Behörden in der Regel kein voller Schadensersatz gewährt wird, da eine Entschädigung nur als eine Art Wiedergutmachung angesehen wird. Darüber hinaus werden die allgemeinen Entschädigungsansprüche von der Rechtsprechung eng ausgelegt, sodass eine Durchsetzung im Einzelfall sehr schwierig werden kann.
Was sind die rechtlichen Folgen der Zugangsbeschränkung einer Mietsache durch den Vermieter infolge behördlicher Anordnung?
Der Vermieter ist nach § 535 Abs. 1 S. 1 BGB dazu verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. In einem anlassbezogenen Fall kann die zuständige Behörde einen Gebäudeeigentümer bzw. Vermieter auf Grundlage des IfSG verpflichten, die notwendigen Maßnahmen zur Abwendung drohender Gefahren zu treffen. Dies sind bspw. die Schließungen einzelner Räumlichkeiten oder ganzer Gebäude als Maßnahme zur Eindämmung der Infizierungen mit dem Corona-Virus. Im Fall einer von der zuständigen Behörde angeordneten Nutzungsbeschränkung oder -untersagung sind zudem besondere Rechtsfolgen zu beachten:
- Ergeht die behördliche Anordnung vor Übergabe des Mietgegenstandes, kann der Vermieter dem Mieter entsprechend des obigen Grundsatzes des BGHs grundsätzlich den Gebrauch dennoch überlassen, da die Schließungen i.d.R. nur für den Kundenverkehr gelten und nicht für das Betreten durch den Mieter selbst. Der Vermieter muss dem Mieter die Mietsache so bereitstellen, dass dieser in der Lage ist, den üblichen oder vertraglichen Gebrauch zu machen. Es kommt nach Ansicht des BGH nicht darauf an, ob bspw. der Mieter eines Ladengeschäftes dieses tatsächlich eröffnen kann, sondern ob er es theoretisch könnte. Ist dies der Fall, dürfte der Mieter grundsätzlich zur Zahlung der Mieter weiterhin verpflichtet sein. Die Mietzahlungspflicht entfällt nur, wenn der Vermieter dem Mieter die Sache tatsächlich nicht oder nicht vollständig übergibt, also, wenn er bspw. die Schlüsselübergabe aufgrund der Pandemie nicht vornimmt und der Mieter auch hypothetisch keine Möglichkeit hat, die Mietsache z.B. für die Durchführung Renovierungsarbeiten zu nutzen.
- Ergeht die behördliche Anordnung nach Übergabe des Mietgegenstandes, kann der Mieter keine Mietminderung, aber eine Anpassung des Mietzinses aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage geltend machen (näheres hierzu sogleich).
Kann ich als Mieter außerordentlich kündigen?
Bei dieser Frage ist zu differenzieren: der Gewerbemieter kann für den Fall eine außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB wegen Entzugs des vertragsgemäßen Gebrauchs erklären, wenn der Vermieter dem Mieter die Mietsache nach Überlassung wieder entzieht. Bei einer behördlichen Anordnung entzieht der Vermieter den vertragsgemäßen Gebrauch grundsätzlich nicht, sondern der Mieter darf die Mietsache aufgrund einer behördlichen Anordnung nicht für den gedachten Zweck nutzen. Bei öffentlich-rechtlichen Beschränkungen ist eine fristlose Kündigung nur berechtigt, wenn ein Mangel gegeben und dies dem Vermieter zuzurechnen ist. Im Falle einer behördlich angeordneten Geschäftsschließung zur Reduktion der Verbreitung des Corona- Virus handelt es sich zwar um eine öffentlich-rechtliche Beschränkung, allerdings liegt in der Regel kein Mangel vor, da die Beschaffenheit der Mietsache nicht beeinträchtigt wird. Das Risiko der Geschäftsschließung knüpft an die Ausübung des Gewerbebetriebes des Mieters an und ist somit der Risikosphäre des Vermieters nicht zuzuordnen. Eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB scheidet somit aus.
Warum besteht grundsätzlich die Pflicht zur Zahlung der Miete?
Der Mieter hat nach § 537 Abs. 1 Satz 1 BGB die Miete auch dann zu zahlen, wenn er sein Gebrauchsrecht über die Mietsache nicht ausüben kann, soweit der Grund dieser Gebrauchshinderung in seiner Person liegt. Ob der Grund in der Person des Mieters liegt, ist vorrangig nach den besonderen Vereinbarungen zur Risikotragung in dem Mietvertrag zu bestimmen. Regelmäßig sind sein Gesundheitszustand – hierunter fällt auch eine Infektion mit dem Corona-Virus- oder seine Fähigkeit, mit der Mietsache Gewinne erzielen zu können, der Risikosphäre des Mieters zuzuordnen.
Es könnte das Argument angeführt werden, dass die behördlich angeordnete Geschäftsschließung aufgrund des Corona-Virus als höhere Gewalt angesehen werden könnte. Höhere Gewalt wird neben Katastrophen, Streiks, Versagen öffentlicher Verkehrsmittel sowie die aus dem Risikobereich des Vermieters herrührenden Umstände als nicht zu den in der Person des Mieters liegenden Gründen angesehen (siehe unten). Diese Annahme würde dazu führen, dass der Mieter wegen Unmöglichkeit oder Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht zur Entrichtung der Miete verpflichtet wäre. Diese Nutzungshindernisse müssen der Mietsache anhaften und deshalb für jeden möglichen Mieter die Ausübung des Gebrauchsrechts unmöglich machen. Nicht jeder Mieter würde an dem Gebrauch bei einer behördlich angeordneten Geschäftsschließung gehindert sein. Ein Apotheker, zum Beispiel, könnte sein Gebrauchsrecht aktuell noch ausüben. Die behördlich angeordneten Betriebs- oder Geschäftsschließungen betreffen aber gerade die Ausübung des Betriebs oder des Gewerbes durch den Mieter. Mithin liegt ein in der Person des Mieters liegender Grund vor und der Mieter ist grundsätzlich zur Zahlung der Miete nach § 537 Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet.
Ob eine Pandemie als höhere Gewalt angesehen oder zumindest mit ihr gleichgesetzt ist, kann sich auch aus dem Gewerbemietvertrag selbst ergeben, sodass die Regelungen im Einzelfall zu prüfen sind.
Ein Fall höherer Gewalt im Sinne der gesetzlichen Regelungen?
Ob ein Fall von höherer Gewalt im Sinne des deutschen Zivilrechts vorliegt, wird von der Rechtsprechung einzelfallabhängig entschieden. Für den Bundesgerichtshof (BGH) ist höhere Gewalt ein „betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis, dass nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch die äußerste, nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit vom Betriebsunternehmer in Kauf zu nehmen ist“.
Die Definition besteht aus drei wesentlichen Elementen: Unvorhersehbarkeit, Unvermeidbarkeit sowie Außergewöhnlichkeit. Das können Krieg, Naturkatastrophen und auch Epidemien sein. Das neuartige Corona-Virus und die von ihm in Deutschland verursachte Pandemie könnte im Sinne der Formel des BGH höhere Gewalt sein. Hierzu hat sich der BGH bisher nicht geäußert. Bisher hat die Rechtsprechung zum Beispiel die Aschewolke des isländischen Vulkan 2010 oder den Reaktorunfall in Tschernobyl 1986 als nicht vorhersehbare höhere Gewalt eingestuft. Ob die Pandemie als höhere Gewalt einzustufen ist, ist fraglich, wobei nach unserer Ansicht sowohl eine Bejahung als auch eine Verneinung vertretbar sind. Pandemien gibt es seit Menschengedenken und treten immer wieder auf. Die letzte weltweit grassierende Pandemie war die spanische Grippe in den Jahren 1918-1920 mit 20-50 Millionen Toten, sodass es sich an sich nicht um ein vollkommen unerwartetes Phänomen handelt.
Die behördlich angeordnete Schließung oder die eigenverantwortliche Schließung aus wirtschaftlichen Gründen durch den Mieter stellen keinen Mietmangel dar (s.o.). Die Maßnahmen gelten nur als Folge der Reaktion der staatlichen Behörden auf die aktuelle Lage – diese Maßnahmen selbst dürften keine höhere Gewalt darstellen, insbesondere da es zu erwarten ist, dass Maßnahmen ergriffen werden, um eine potentiell tödliche Krankheit einzuschränken. Öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und Gebrauchsbeschränkungen werden nach der bisherigen BGH-Rechtsprechung nur dann als Mangel angesehen, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der Mietsache beruhen. Dies wurde vorliegend verneint.
Aufgrund des oben genannten ersten Urteils des Bundesgerichtshofs zum Gewerbemietrecht im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie dürfte zumindest auch im Falle von Mietzahlungen die höhere Gewalt nicht greifen. Interessant wird eine Einschätzung in anderen Rechtsgebieten und unter Umständen in anderen Fragestellungen des Gewerbemietrechts.
Anpassung des Mietvertrags wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB
Der BGH lässt den Mieter aber nicht vollkommen allein, sondern hat sich in dem oben genannten Urteil zu einer Anpassung der Miete aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB positioniert.
Untersagt oder beschränkt eine behördliche Anordnung die Ausübung des Betriebes des Mieters und kommt das Geschäft des Mieters (beinah) vollständig zum Erliegen, könnte eine Anpassung des Mietvertrages wegen Störung der Geschäftsgrundlage in Erwägung gezogen werden. Mieter und Vermieter setzen bei Abschluss des Mietvertrags regelmäßig Umstände voraus, die sie als so selbstverständlich ansehen, dass sie darüber nicht gesondert kommunizieren.
Als Faustregel lässt sich heranziehen, dass hierunter auch alle unausgesprochenen Aspekte fallen, welche einen bestimmten Mietzins rechtfertigen (z.B. Lage des Objekts in einer erstklassigen Gegend, ein bestimmter Publikumsmix, lange Öffnungszeiten oder, dass überhaupt geöffnet werden darf, wobei hier keine Gründe eine Rolle spielen dürfen, die in der Person des Mieters oder in seinem Betrieb liegen wie z.B. die Erteilung einer Gewerbeerlaubnis).
Diese Umstände bilden die gemeinsame, stillschweigend vorausgesetzte Grundlage des Vertrags. Man spricht von der sog. Geschäftsgrundlage. Fällt eine solche Geschäftsgrundlage weg oder ist sie erschüttert, spricht man als Überbegriff von einer Störung der Geschäftsgrundlage. Abzugrenzen ist sie von ausdrücklichen Einigungen der Parteien über Ausstattung oder Eigenschaft der Mietsache. Diese sind ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarungen, welche im Gegensatz zur Geschäftsgrundlage namentlich im Vertrag angesprochen werden und deren Fehlen Gewährleistungsrechte nach sich zieht.
Bei „schwerwiegenden“ Veränderungen der Geschäftsgrundlage kann jede Partei eine Anpassung oder Beendigung des Mietvertrags gemäß § 313 Abs. 1, 3 BGB wegen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage verlangen. Der Vertrag wird bei Anwendung des § 313 BGB bzgl. der Hauptleistungen wie der Miete an die veränderten Umstände angepasst. Erst wenn eine für beide Parteien zumutbare Anpassung des Vertrags nicht denkbar ist, ist die Beendigung des Vertrags möglich. „Schwerwiegend“ i.S.d. § 313 BGB sind die Veränderungen der Umstände dann, wenn mindestens eine Partei den Vertrag bei Kenntnis der geänderten Umstände gar nicht abgeschlossen hätte. Ein weiteres Festhalten am unveränderten Vertrag darf der Partei zudem im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Interessen nicht zumutbar sein. Hier ist aber genau zu differenzieren: Risiken, die eine Vertragspartei aufgrund der vertraglichen Absprache oder der gesetzlichen Risikozuweisung alleine tragen muss, begründen bei ihrem Eintritt grundsätzlich nicht den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Dies sind etwa die Risiken des Mieters, ob er mit seinem Angebot überhaupt Gewinn erzielt, ob das Mietobjekt von den Kunden akzeptiert wird oder, ob der Mieter das Objekt persönlich nutzen kann. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage liegt daher nur dann vor, wenn keine Partei das Risiko der Veränderung alleine tragen muss und die veränderten Umstände beide Parteien potentiell betreffen können.
Der BGH hat in dem o.g. Urteil klargestellt, dass die pandemiebedingten Schließungsanordnungen und Zugangsbeschränkungen eine Störung der Geschäftsgrundlage darstellen können. Das Gericht stellte ferner klar, dass es hierbei nicht auf eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz ankommt. Relevant ist dieser Fall vor allem für Hotels, Restaurants, Touristik-Anbieter, Textilhändler und weitere Branchen, welche vom Kundenkontakt leben und die infolge von behördlich angeordneten Schließungen ihren Betrieb einstellen oder einschränken müssen.
Liegt ein Fall der Störung der Geschäftsgrundlage vor, können die Auswirkungen für den Vertrag nicht pauschal vorausgesagt werden. Der Grund hierfür ist die Interessenabwägung der Parteien. So ist es vertretbar, dass eine Quotierung der Kosten für die Zeit, in der die Geschäftsgrundlage gestört ist, vorgenommen wird oder der Vertrag vorzeitig beendet werden kann.
Der BGH hat sich in seinem Urteil auch nicht für eine pauschale Quote der Störung der Geschäftsgrundlage im Fall einer Schließungsanordnung ausgesprochen, sondern lässt es hierfür auch auf den Einzelfall ankommen. Das Gericht benennt in seiner Entscheidung Abwägungsparameter, die beurteilen sollen, ob und mit welcher Quote eine Anpassung vorgenommen werden kann.
Zu prüfen sind welche Nachteile dem Mieter durch die Geschäftsschließung entstanden sind und wie lang diese gedauert haben. Nutzt der Mieter beispielweise die Schließung für umfangreiche Sanierungs- oder Renovierungsmaßnahmen, dürfte sein Nachteil geringer ausfallen, wenn er für diese Arbeiten das Geschäft ohnehin hätte schließen müssen.
Ferner kommt es auf die Höhe des konkreten Umsatzrückgangs in der Zeit der Schließung an. Damit trägt der BGH dem Grundgedanken Rechnung, dass der Mieter überhaupt Einbußen erlitten haben muss und sein Betriebsrisiko eines Gewerbes ohne Gewinn nicht auf den Vermieter abwälzen soll. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang ferner, welche finanziellen Vorteile der Mieter aufgrund der Schließung erhält wie z.B. Leistungen einer Betriebsschließungsversicherung oder nicht rückzahlbare staatliche Leistungen. Ferner hat der Mieter darzulegen, welche Maßnahmen er ergriffen hat und ergreifen konnte, um die ihm drohenden Verluste zu minimieren. Dementsprechend muss auch der Mieter aktiv werden und alles ihm Mögliche – und wirtschaftlich sinnvolle – tun, um die tatsächlich schließungsbedingten Verluste so gering wie möglich zu halten.
Zu beachten ist auch die wirtschaftliche Situation des Mieters, denn die Fortführung des Vertrages in der bisher vereinbarten Art und Weise darf ihm wie erörtert nicht mehr zumutbar sein. So ist die Situation eines gutlaufenden milliardenschweren Unternehmens aller Voraussicht nach anders zu bewerten als die eines beispielsweise kleinen, lokalen Einzelunternehmens.
Nicht berücksichtigt gelassen, dürfen die Interessen des Vermieters für den eine Reduktion der Miete ebenfalls existenzbedrohend sein kann.
Der BGH hat sich demzufolge dahingehend positioniert, dass eine Störung der Geschäftsgrundlage vorliegen kann, aber äußerte sich nicht, in welchem Rahmen diese vorliegt. Vielmehr soll eine Beurteilung des Einzelfalls vorgenommen werden, um eine interessengerechte Lösung herbeizuführen.
Besteht die sog. Betriebspflicht bei Infektionsgefahr fort?
Die Vereinbarung einer Betriebspflicht der Mieter trägt dem Interesse des Vermieters Rechnung, dass das Objekt, z.B. ein Einkaufszentrum, für potenzielle Kunden interessant und attraktiv ist. Verstößt der Mieter gegen seine Betriebspflicht, so hat der Vermieter Ansprüche auf Erfüllung und Schadensersatz. Des Weiteren kann der Vermieter das Mietverhältnis (außerordentlich) kündigen.
Es stellt sich aber während der Corona Pandemie die Frage, ob der Mieter zur Fortführung des Betriebes verpflichtet ist, selbst wenn er nur Verluste erwirtschaftet bzw. eine Behörde die Schließung des Gebäudes oder eine Zugangsbeschränkung angeordnet hat. Dieser Fall ist beispielsweise denkbar, wenn der Zugang beschränkt ist, z.B. durch eine 2G oder 2G+ Regelung.
Die Gewinnerzielung liegt grundsätzlich allein in der Risikosphäre des Mieters, auch, ob ein potentiell attraktives Geschäftskonzept überhaupt von den Kunden angenommen wird. Die Grenze der Einhaltung der Betriebspflicht liegt allerdings im Fall der Unmöglichkeit des Betriebs, etwa wenn dem Mieter der Betrieb behördlich verboten ist. Im Fall einer behördlichen Nutzungsuntersagung auf Grundlage des IfSG ist es dem Gewerbemieter gerade untersagt, den Betrieb zu betreiben. Eine Öffnung des Geschäfts wäre rechtswidrig, sodass für den Zeitraum der behördlichen oder gesetzlichen Anordnung eine rechtliche Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB vorliegt und der Mieter von seiner Betriebspflicht befreit ist.
Etwas anderes gilt, im Fall von angeordneten Zugangsbeschränkungen wie im Falle einer 2G oder 2G+ Regelung und sich bspw. die Öffnung des Ladengeschäfts wirtschaftlich nicht rechnen würde und er bei einer vollständigen Schließung weniger Verluste erleiden würde. In einem solchen Fall ist eine wirtschaftliche Unmöglichkeit möglich. Die wirtschaftliche Unmöglichkeit fällt aber nach ständiger Rechtsprechung nicht unter die gesetzlichen Unmöglichkeitsregelungen des § 275 Abs.1 BGB. Vielmehr sehen die Gerichte in diesen Fällen auch eine Störung der Geschäftsgrundlage, sodass die o.g. Kriterien erfüllt sein müssen und ein Festhalten am Vertrag in der geschlossenen Form nach Abwägung aller Interessen für den Mieter nicht zumutbar sein darf.
Fazit:
Das IfSG und das BGB verpflichten Mieter und Vermieter zu bestimmten Handlungen im Falle einer (drohenden) Infektion mit dem Corona-Virus. So bleibt der Mieter zwar grundsätzlich verpflichtet, die Miete an den Vermieter zu bezahlen, kann diese aber im Wege der Störung der Geschäftsgrundlage zu reduzieren. Eine pauschale Anpassung des Vertrages und damit des Mietzinses ist dabei nicht möglich, vielmehr kommt es immer auf die Umstände des Einzelfalls an. Um die jeweiligen Einzelfälle bewerten zu können, hat das Gericht Leitlinien und Kriterien entwickelt, anhand derer die Interessen und Zumutbarkeit beurteilt werden sollen. Damit wird den Gewerbemietern ein Konzept gegeben, um dem Vermieter zu verdeutlichen, warum und in welcher Höhe die Miete für die Dauer der Schließungsanordnung angepasst werden muss.
Zahlungsaufschub für Mieter durch neue Gesetzeslage zur Abmilderung der Folgen der Covid-19- Pandemie
Das vorübergehende Gesetz enthielt völlig neue Regelungen zur Vermeidung von unausgewogenen rechtlichen Ergebnissen, zum Schutze des Mieters vor Kündigungen und des Vermieters vor ungebührlicher finanzieller Belastung.
Mieter, die durch die Corona-Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen, werden vor Kündigungen wegen Zahlungsverzuges geschützt. Dies bezieht sich auf Mietrückstände aus dem Zeitraum April bis einschließlich Juni 2020, die auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie beruhen. Diese Mietrückstände können nicht zur Begründung einer ordentlichen oder fristlosen Kündigung herangezogen werden. Auf sonstige Kündigungsgründe wie etwa Eigenbedarf erstreckte sich die Beschränkung des Kündigungsrechts nicht. Die Kündigungsbeschränkung gilt für Wohn- und Gewerbemietverhältnisse ebenso wie für Pacht einschließlich Grundstückspacht. Die Auswirkungen der Pandemie muss der Mieter glaubhaft machen und im Prozess beweisen können. Die Kündigungsmöglichkeit lebt erst wieder nach 24 Monaten auf, also am 1.7.2022, wenn die nicht gezahlten Mieten bis dahin noch nicht nachgezahlt wurden.
Die zeitlichen Parameter der Regelung sollten entsprechend der Entwicklung der Corona-Pandemie angepasst werden. Obwohl mit Auslaufen des Gesetzes absehbar war, dass die Krise andauern wird, wurde der zeitliche Anwendungsbereich des Gesetzes nicht verlängert und Rückstände, die ab dem 01.Juli 2020 entstanden sind, dürfen in die gesetzliche Kündigungsmöglichkeit des Vermieters mit einbezogen werden. Dementsprechend genießt der Mieter keinen Kündigungsschutz mehr und kann sich gegen eine möglicherweise ungerechtfertigte Kündigung nur im Wege eines Klageverfahrens unter den Voraussetzungen des BGB wehren.
Mieter muss Zusammenhang mit Corona glaubhaft machen
Wurde bis 30. Juni 2020 keine Miete gezahlt, obliegt es dem Mieter, den Zusammenhang zwischen Corona-Krise und Zahlungs-problemen glaubhaft zu machen, etwa durch Vorlage eines Bescheids über staatliche Leistungen, einer Bescheinigung des Arbeitgebers oder anderer Nachweise über einen Verdienstausfall. Mieter von Gewerbeimmobilien können den Zusammenhang zwischen Covid-19-Pandemie und Nichtleistung glaubhaft machen, wenn der Betrieb des Unternehmens im Rahmen der Bekämpfung von Sars-CoV-2 durch Rechtsverordnung oder behördliche Verfügung untersagt wurde und dementsprechend keine oder geringere Einnahmen erzielt wurden.
Mieter müssen Miete bis Juni 2022 nachzahlen
Zur Zahlung der Miete bleiben Mieter unabhängig vom Ausschluss des Kündigungsrechts verpflichtet. Bis zum 30.6.2022 haben Mieter Zeit, Corona-bedingte Mietrückstände auszugleichen.
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