Gesellschaften eines Mitgliedstaates der europäischen Union dürfen entsprechend der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49, 54 AEUV nicht schlechter gestellt werden als inländische Gesellschaften. Für die Britische Limited, die der deutschen GmbH ähnlich ist und sich durch eine beschränkte Haftung auszeichnet, bedeutete das, dass sie unproblematisch in Deutschland klagen konnte, da sie britischen Recht anerkannt war. Dies änderte sich nach Ansicht des OLG München mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union. Die Britische Limited ist in Deutschland damit nicht mehr rechtsfähig.

Der Fall – eine britische Limited in Deutschland

In dem vorliegenden Fall wollte ein britischer Onlinehändler mit Verwaltungssitz in Deutschland einen kartellrechtlichen Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Preisbildung für Kosmetikprodukte erreichen. Das Gericht prüfte den Antrag schon gar nicht. Es kam zu dem Ergebnis, dass die britische Limited nicht parteifähig nach § 50 der Zivilprozessordnung ist. Als Parteifähigkeit wird im deutschen Zivilrecht die Fähigkeit bezeichnet, in einem Gerichtsverfahren Partei zu sein. Parteifähig ist dabei nur, wer auch rechtsfähig ist.

Begründung des Gerichts: die Sitztheorie

Nach dem Vollzug des Austritts aus der Europäischen Union (sog. Brexit) wurde das Vereinigte Königreich zu einem Drittstaat. Ob eine Gesellschaft eines Drittstaats parteifähig ist, richtet sich nach der Sitztheorie. Danach ist auf eine Gesellschaft das Recht des Staates anzuwenden, welches am tatsächlichen Verwaltungssitz der Gesellschaft gilt. Dieser befindet sich an dem Ort, an dem die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden. Der tatsächliche Verwaltungssitz befand sich im vorliegenden Fall in Deutschland, sodass das deutsche Recht anzuwenden ist. Dem deutschen Recht ist die Britische Limited aber unbekannt – dem zufolge ist sie in Deutschland nicht mehr rechtsfähig ist. Da sie dennoch nicht als rechtliches Nullum anzusehen ist, kann eine Britische Limited je nach ihrer tatsächlichen Ausgestaltung noch als GbR, OHG oder bei nur einer Gesellschafterin als einzelkaufmännisches Unternehmen mit der Konsequenz der vollen persönlichen Haftung angesehen werden.

Urteil zu den Themen Zivilprozessrecht, Gesellschaftsrecht, Europarecht vom OLG München vom 05.08.2021 – 29 U 2411/21 Kart

Sabrina Lahne
Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Arbeitsrecht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Wettbewerbsrecht und Vertragsrecht

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